Im gut sortieren Spielzeughandel kann man manchmal solche Kreisel finden,
die sich von selbst auf den Kopf stellen. Sie werden Wendekreisel, Stehaufkreisel
oder im Englischen Tippe Top genannt. Dreht er sich nicht, so zeigt der
Stift nach oben, der Schwerpunkt liegt eindeutig im unteren Teil und er
verhält sich wie ein Stehaufmännchen.
Versetzt man ihn am Stift in Rotation, so dreht er sich nach kurzer Zeit
um und läuft auf dem Stift in stabiler Lage weiter. Der Schwerpunkt
wandert entgegen dem Gesetz der Gravitation von der tieferen in die höhere
Lage.
Dieser vermutlich schon früher bekannte Kreisel wurde 1891 von
der deutschen Physikerin Helene Sperl, aus München, als Wendekreisel
patentiert.
Das eigentümliche Verhalten dieses Kreisels zeigt dieses Video. Bereits
kurze Zeit nach dem Start beginnt der Stift nach außen zu wandern.
Er dreht sich immer weiter nach unten, bis er auf dem Boden schleift (das
ist im Ton gut zu hören) und dann passiert es: Er richtet sich vollständig
auf und läuft dann auf dem Stift weiter.
Der Wendekreisel hat bei Physikern zu oft hitzigen Debatten geführt. Hier bestaunt
niemand geringerer als Wolfgang Pauli und Niels Bohr den Wendekreisel.
Es wird von einer Tagung am Bodensee im Jahre 1960 berichtet, auf der 3
Stunden lang nur über den Wendekreisel und sein Prinzip geredet wurde. Am Ende soll der Physik-Nobelpreisträger Niels Bohr den Raum mit den Worten verlassen haben: "Was wollt Ihr denn, schließlich
funktioniert es doch !"
Da fällt mir ein noch viel treffenderes Zitat ein, dass auch auf der Magnetseite in Verbindung mit der Freien Energie zu finden ist. Aristoteles sagte 330v. Ch.: "Energie ist das, was das Mögliche in die Wirklichkeit treibt." Das trifft hier genau zu. Es ist prinzipiell schon möglich, dass der Schwerpunkt entgegen der Gravitation nach oben wandert, doch erst unter dem Einfluss der Rotationsenergie wird das zur Realität.
Funktion
Die genaue Funktion konnte ich noch nicht restlos klären. Es gibt
zwar seitenweise mathematische Abhandlungen darüber, aber solche tragen
nicht zum Verständnis der Funktion bei. Darum sagt man ja auch, eine
Formel beschreibt den Zusammenhang von dieser und jener Größe,
denn erklären kann sie ihn nicht.
Siehe dazu auch Wahr oder Richtig.
Es ist auf jeden Fall ein Reibungseffekt, wie auch beim keltischen
Wackelholz.
Ohne Reibung würde der Kreisel in der ursprünglichen Lage stabil
bleiben. Es zeigt sich auch, dass es auf sehr glatten Flächen länger
dauert, bis sich der Kreisel aufgestellt hat.
Das der Stift aufgrund seiner Länge einfach durch die Fliehkraft
nach außen gezogen wird, ist soweit klar und logisch. Aber die weitere
Bewegung nach unten und vor allem das Aufstellen kann so nicht erklärt
werden. Es scheint etwas mit der Lage des Schwerpunktes zu tun zu haben.
Wenn der Kreisel sich ganz langsam dreht und gleichzeitig hin und her kippt,
dann zeigen sich eigenartige Bewegungen, bei denen der Stift meist unten
ist.
Die Lage mit dem höheren Schwerpunkt ist für das System stabiler,
das zeigt sich auch, wenn man ihn sozusagen aus dem "Untergriff" andreht und
gleich auf den Stift wirft, läuft er in dieser Lage weiter. Vergleichen
könnte man das mit einem Stab, an dessen Ende eine schwere Kugel angebracht
ist. Versucht man so einen Stab auf dem Finger zu balancieren, so ist das
relativ leicht, wenn die Masse oben ist. Hat man dagegen die Kugel auf dem
Finger, so wird der Stab viel instabiler. Dieses Prinzip verwenden auch Seiltänzer,
mit ihren langen Stangen. Die Bewegungen beim Balancieren könnte man
mit denen vergleichen die entstehen, wenn der Kreisel auf der Unterlage abrollt.
So betrachtet ist es logisch, das er sich leichter stabilisieren kann wenn
die Masse oben ist.
Nachbau
Da es mitunter doch schwierig ist, so einen Kreisel zu bekommen, folgt
hier eine kurze Anleitung zum Selbstbau eines Wendekreisels. Es wird dazu nur
eine Messing- oder Alukugel mit 30mm Durchmesser benötigt. (siehe
Bezugsquellenliste)
Diese Röntgenaufnahme des gekauften Kreises wurde mit der im Eigenbau gefertigten Röntgenröhre
aufgenommen und zeigt uns einen Einblick in das Innere des völlig verschlossenen
Kreisels und wie ein Nachbau gefertigt werden sollte. Durch eine Bohrung
im oberen Teil wird der Schwerpunkt nach unten verlagert.
Der Kreisel muss oben natürlich nicht unbedingt verschlossen sein. So
wird in die Messing- oder Alukugel gemäß der Zeichnung ein 22mm
großes Loch fast bis zum Boden gebohrt. Zu beachten ist der jeweilige
Spitzenwinkel des Bohrers. Der hier verwendete hatte einen von 112°.
In der Mitte der Bohrung wird der Stift in den Boden eingeschraubt. Es ist
mitunter schwierig, das sehr kurze Gewinde in den Boden zu schneiden. Es
kann der Stift im Falle der Messingkugel auch eingelötet, oder bei der
Alukugel eingepresst werden. Sehr wichtig ist die Spitze des Stifts. Die
hier verwendete, nur 0.4mm tiefe Abschrägung, erwies sich als sehr hilfreich
beim Aufstellen. Hier muss mitunter etwas experimentiert werden.
Das Video zeigt, diese Konstruktion in der Messingausführung in Funktion.
Er läuft, aufgrund seines Gewichtes, auch gut auf glatten Flächen,
wie z.B. Holzböden. Der Moment des Aufrichtens ist etwas kritischer
als beim Original. Da gibt es sicher noch Verbesserungsmöglichkeiten
im Design.
Auch eine etwas kleinere Dimensionierung hat ebenfalls gut funktioniert. Diese besteht aus einer 25mm Messingkugel und eine 6mm Messingwelle. In die Kugel wird ein 19mm Loch gebohrt, das 10mm tief reicht (von der verbleibenden Materialkante) Die Gesamthöhe bis zum Wellenende beträgt 30mm. Dieser Kreisel lässt sich aufgrund der kleineren Masse leichter starten und läuft auch gut auf glatten Flächen.
Ein etwas anderer Typ mit ähnlicher Funktion ist in diesem Video zu
sehen. Es ist eine Stahlkugel mit 40mm Durchmesser, die bis zur Hälfte
abgedreht wurde und die nur eine leichte Vertiefung von 10mm hat. Auch dieser
Körper gerät nach dem Andrehen in Schwingung und dreht sich schließlich
um. Da er aber keinen Stift hat, läuft er dann nicht mehr weiter.
Dieses einfache physikalische Spielzeug zeigt uns wieder einmal, wie
leicht es ist, die scheinbar so unumstößlichen Gesetze der Gravitation
auf den Kopf zu stellen.